Mehr Informationen zur Dendroarchäologie

  • Der Begriff „Dendroarchäologie“ wird bereits seit den 1960er-Jahren für die dendrochronologische Datierung von Hölzern aus archäologischem Kontext verwendet. Heute hat der Begriff eine weitergefasste Bedeutung und behandelt neben chronologischen Aspekten auch paläoklimatologische, -ökologische sowie wirtschaftsarchäologische und forstgeschichtliche Fragestellungen. Archäologisch geborgene Holzfunde und Hölzer aus historischen Gebäuden sind sowohl Artefakte, also vom Menschen künstlich geformte Objekte, als auch Naturprodukte mit vom Menschen weitgehend unbeeinflussten Eigenschaften. Dieses Zusammenspiel von Naturstoff und menschlicher Prägung macht archäologische bzw. historische Hölzer zu wichtigen Informationsträgern für das Verhältnis und die Wechselwirkung zwischen Mensch und Umwelt in vergangenen Zeiten.
  • Ob natürlich abgelagerte Baumstämme, bearbeitete Bauhölzer und Artefakte oder Holzkohlen: Holzfunde aus vergangenen Zeiten sind wertvolle Quellen für umweltarchäologische Fragestellungen. Holzarten, Schnittwaren und Stammdurchmesser erlauben Rückschlüsse auf wirtschaftsarchäologische Aspekte wie Selektion, Ressourcennutzung, Rohstoffversorgung und Waldbewirtschaftung. Bearbeitungsspuren auf den Holzoberflächen liefern Informationen zu Herstellungsprozessen und Technikgeschichte. Die Dendrochronologie (Jahrringanalyse) ermöglicht jahrgenaue Datierungen und erlaubt die zeitliche Einordnung archäologischer Funde in sonst kaum erreichbarer Präzision. So lassen sich chronologische Fragen der Archäologien, der Bauforschung und der Kunstgeschichte klären. Holzfunde liefern jedoch nicht nur absolut-chronologische Daten, sondern stellen auch ein veritables Klimaarchiv dar. Der Jahreszuwachs von Bäumen spiegelt die Wuchsbedingungen und damit die regionalen Klimabedingungen wider. Große Datenmengen, etwa aus archäologischen Ausgrabungen, ermöglichen es, Vegetations- und Besiedlungsgeschichte sowie Siedlungsdynamik chronologisch präzise zu erfassen und erlauben Einblicke in das Alltagsleben vergangener Gesellschaften. Der interdisziplinäre Forschungsansatz der Dendroarchäologie rückt verstärkt die Themenkomplexe Waldnutzung und Paläoklima in den Fokus und liefert so neue Erkenntnisse zur (prä)historische Siedlungs- und Umweltgeschichte.
  • Bis zur Industrialisierung spielte Holz als vielseitiger Bau- und Werkstoff eine zentrale Rolle in nahezu allen Lebensbereichen. Als leicht zu bearbeitender und nachwachsender Werkstoff war Holz in allen vergangenen Epochen elementar und blieb bis zur modernen Entwicklung von Ersatzstoffen eine zentrale Ressource. Als Baustoff war Holz neben Stein und Lehm eines der wichtigsten Materialien. Daneben war Holz der bedeutendste Energieträger für haus- und handwerkliche Prozesse und trat in seiner Rolle erst durch die moderne Erschließung fossiler Brennstoffe als alternative Energiequellen zurück. Spätestens seit dem Neolithikum griff der Mensch durch seine Holznutzung nachhaltig in die natürliche Vegetation ein und erschuf so unter anderem Kulturlandschaft. Wirtschaftliche und technische Entwicklungen sind dabei eng mit der Ressource Holz verbunden.
  • Holz ist mit seinen chemischen Grundsubstanzen Cellulose, Hemicellulose und Lignin ein leicht vergängliches und biologisch abbaubares organisches Material, das nur unter bestimmten Umständen über lange Zeiträume konserviert wird. Die archäologisch häufigste Erhaltungsform ist im permanenten Feuchtmilieu zu finden, etwa in Zonen unterhalb des Grundwasserspiegels. Dort verhindert der dauerhafte Luftabschluss die Zersetzung durch aerobe Mikroorganismen und verlangsamt den biologischen Abbau stark. Derart gelagert können Hölzer Jahrtausende überdauern. Die Sättigung mit Wasser erhält die Zellstruktur weitestgehend und ermöglicht eine mikroskopische Holzartenbestimmung. Auch die äußere Form des Artefakts bleibt bestehen und lässt Bearbeitungsspuren und technische Details erkennen.